Mit CAD/CAM/CAE zu individuellen Endoprothesen

Waldemar LINK Case Study

Innovationen unter Hochdruck

Aus einem 1948 in Hamburg eröffneten Fachgeschäft für Krankenhausbedarf hat sich die Waldemar LINK GmbH & Co. KG zu einem internationalen Unternehmen in der ersten Reihe der Hersteller orthopädischer Implantate und chirurgischer Instrumente entwickelt. Rund 500 Beschäftigte streben – nach dem prägenden Vorbild des Firmengründers – ständig nach Verbesserungen auf dem Gebiet der modernen Endoprothetik.

In enger Zusammenarbeit mit führenden medizinischen Kliniken und Facheinrichtungen entstehen komplette Implantatsysteme für Hüft- und Kniegelenke, die lumbale und cervicale Wirbelsäule, aber auch Megaprothesen oder personenspezifische Implantate für Tumorpatienten oder Implantat-Revisionen. Neueste biomechanische Erkenntnisse, ebenso wie Fortschritte der Metallurgie, Polymertechnik, Tribologie und Kinematik führen zu Innovationen wie dem Schenkelhals erhaltenden C.F.P.®/T.O.P.® Hüftprothesensystem, das den Patienten zusätzlich durch einen kleinen Operationszugang entlastet und ihm viel mehr Knochensubstanz erhält als Standardprothesen.

Derartige Innovationen unterliegen den härtesten internationalen Zulassungsbedingungen. Eine überplanmäßige Auslastung in Produktentwicklung und Serienfertigung gehört ebenso zu den Herausforderungen, wie der ansteigende Termindruck im Geschäft mit individuellen Implantaten: Oft sind Operationstermine bereits festgelegt, bevor die Prothese vollständig definiert werden konnte.

Dieses anspruchsvolle Anforderungsset verlangt Höchstleistungen von den Mitarbeitern, die nur mit modernster Ausrüstung wirksam werden. Deshalb entstehen LINK Implantate in der Forschung & Entwicklung, Konstruktion, Berechnung, Simulation, Optimierung und mechanischer Fertigung unter High-Tech-Bedingungen.

Integrierte PLM-Umgebung

Im Entwicklungsbereich bildete bis zum Jahr 2003 das 3D CAD-System I-deas die Grundlage aller Produktmodelle, Zeichnungen und Berechnungen, verbunden mit einer PDM-Lösung zur Verwaltung der Produktinformationen. In diesem Jahr begannen Spezialisten von Computer- Komplett ASCAD mit der Implementierung von NX, der neuen, integrierten CAD/CAM/CAE-Generation von Siemens PLM Software. Der erfahrene IT-Dienstleister schaffte mit dem richtigen Lösungsportfolio, der entsprechenden Hardware, sowie einem umfassenden Schulungs- und Supportkonzept eine Punktlandung und erreichte mit der Migration umfangreicher Datenbestände das Ziel einer umfassenden Wiederverwendung der Altbestände.

Mit der 2005 folgenden Implementierung des PDM-Systems Teamcenter gelang die lückenlose Dokumentation jedes einzelnen Entwicklungs- und Fertigungsschrittes, nützlich für den Erhalt der Zertifizierungen nach ISO 13485, ISO 9001:1994, und EN 46001:1996.

Mit der 2009 durchgeführten Konsolidierung von bis dahin getrennten Teamcenter-Umgebungen der Schwesterfirma DERU mit jener von Waldemar Link und einer 2010 anschließenden Migration nach Teamcenter Unified Architecture, der aktuellen Plattform des umfassenden Systems, erreichte das Unternehmen eine vollständig integrierte Entwicklungs- und Fertigungsumgebung mit 25 Teamcenter-Anwendern, 14 CADArbeitsplätzen, acht CAM-Stationen und einer CAE-Lizenz.

Assoziative Modelle – durchgehende Prozesse

Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser durchgängigen Lösung sieht Waldemar Link in vertikal wie horizontal vollständig integrierten Entwicklungs- und Fertigungprozessen. Zu jedem Implantatsystem für Hüftgelenkssubstitutionen gehören Operationsinstrumente, etwa zum Öffnen der Markhöhle des Oberschenkels, sowie ein Set von Hüftgelenkprothesen in unterschiedlichen Größen.

Durch ein entsprechend entwickeltes Master-Modell lassen sich diese Modelle und Varianten extrem intelligent ableiten. Sie bleiben verknüpft, so dass sich Änderungen auf folgenden Prozessstufen einfach auf alle assoziierten Varianten übertragen lassen. Iterationsschleifen der CAE-Berechnungen erfolgen ohne Umwege über Schnittstellen oder Nachmodellieren – geänderte Bauteile lassen sich sofort anhand der gespeicherten Umgebungsbedingungen überprüfen.

Auch kinematische Untersuchungen können mit neuen Modellversionen sofort wiederholt werden. Selbst Änderungen, die auf der letzten Prozessstufe, der mechanischen Fertigung ausgelöst werden, gelingen aufgrund der Assoziativität mit den Ursprungsmodellen widerstandsfrei und mühelos. In jedem Zusammenhang genügt ein Update, damit alle Daten sicher und fehlerfrei die gewünschten Änderungen widerspiegeln – bis hin in die NC-Programme für die CNC-Bearbeitungszentren neuester Technologie.

Bei der Herstellung von Prothesen müssen Titan und andere hochwertige Materialien in vielen Fertigungsstufen bearbeitet und veredelt werden. Für die perfekte Feinbearbeitung der Oberflächen werden Industrieroboter eingesetzt. Nur mit dem fein regulierbaren Sensorsystem computergesteuerter, in sechs Achsen beweglicher Roboterarme lassen sich Form und Struktur in gleichbleibender, höchster Perfektion wiederholt erreichen.

Die komplizierte, dreidimensionale Geometrie sowie die erforderlichen Prozeduren und Programme für die Roboterbearbeitung werden mit Teamcenter verwaltet.

Das PDM-System führt durch alle Änderungsprozesse, übergibt Daten in Workflows an die beteiligten Mitarbeiter und sorgt für die Einhaltung der Formalitäten. Alle Abläufe werden protokolliert und dokumentiert, die Daten strukturiert und versioniert in den vorbereiteten Strukturen abgelegt.

Trotz komplexer Zusammenhänge und akribischer Vorgaben für Dokumentation und Aufbewahrung wird der Verwaltungsaufwand dadurch auf ein Minimum reduziert. Diese Effektivität der Entwicklungsprozesse stärkt die Innovationskraft des Unternehmens und beschleunigt die Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf marktgerechte und praxisreife Produktsysteme.

CAD-basierte Fertigung kundenspezifischer Implantate

Die technologisch führende CAD/CAMUmgebung ermöglicht darüber hinaus die schnelle und individuelle Entwicklung und Fertigung von Sonderprothesen des ComForm® Endosystems – vor allem, wenn große Knochendefekte kompensiert werden müssen. Dazu wird der Zustand der betroffenen Körperregion und des Knochens mit bildgebenden Verfahren erfasst. Diese Bilder werden zur Rekonstruktion der Körperform digital gemorpht, die Konturen faktoriell per Computer errechnet, was zu einem exakten Abbild auf verwertbarer Datenbasis führt.

Mit NX wird ein dreidimensionales Knochenmodell in Echtgröße als Ausgangs- und Bezugspunkt hergestellt. Durch diese Situationsmodelle für die Operationsplanung weiß der Operateur selbst bei komplexesten Eingriffen bereits im Vorfeld genau, was ihn erwartet. Die Konstruktion verwendet die Situationsmodelle nahtlos für das individuelle Prothesendesign und die Ableitung der Daten für die Maßfertigung.

Kein Stillstand an der Spitze

Mit NX und Teamcenter hat Waldemar Link durchgehende Prozesse geschaffen, die mehr ineinander verzahnt als seriell folgend ablaufen. Bei aller Flexibilität wurde eine hohe Prozesssicherheit einschließlich Dokumentation und Qualitätssicherung erreicht, die ohne das PDMSystem sicher nicht aufrechterhalten werden kann. ComputerKomplett ASCAD wird weiter dabei helfen: „Wir werden das spezielle Teamcenter-Modul bereitstellen, anpassen und implementieren“, berichtet der zuständig betreuende Projektleiter Helmut Pietsch. „Ebenso werden wir weitere Funktionen für die Qualitätssicherung bereitstellen.“

Das ganzheitliche Dienstleistungskonzept soll auch bei der Umstellung der letzten vier 2D-Arbeitsplätze auf NX zum Tragen kommen: Die intelligente Übernahme der vorhandenen Daten in NX und damit in die Prozesse wird bereits konzipiert.