Mit Siemens-Lösungen konnte TRUMPF die Qualität steigern und die Time-to-Market verkürzen....
Im Jahr 1923 als mechanische Werkstätte gegründet, hat sich TRUMPF zu einem weltweit führenden Hersteller von Werkzeugmaschinen, Lasertechnik und Elektronik für Industieanwendungen entwickelt. Mit weltweit über 70 Tochterunternehmen erwirtschaftete das Unternehmen im Geschäftsjahr 2020 knapp unter 3,5 Milliarden Euro Umsatz.
Von Mobiltelefonen und Küchengeräten bis Automobilen bestehen viele Produkte, die wir täglich nutzen, aus gestanzten oder geschnittenen und gebogenen Blechteilen. Das ist keineswegs nur auf Karosserie- oder Gehäuseteile beschränkt. In vielen Branchen sind komplexe Blechkomponenten als tragende Teile in Verwendung. Diese haben in zahlreichen Anwendungen längst gegossene und zerspante Teile abgelöst, weil sie sowohl leichter sind als auch einfacher in großen Stückzahlen herzustellen.
Ermöglicht wird dies durch Werkzeugmaschinen, die auf das Ausschneiden der Blechrohlinge und das Formen der Teile spezialisiert sind. Zu den Pionieren und weltweit führenden Herstellern von Blechbearbeitungsmaschinen gehört die TRUMPF Gruppe mit Hauptsitz in Ditzingen bei Stuttgart. Das 1923 gegründete Unternehmen stellte 1968 die weltweit erste NC-gesteuerte Blechbearbeitungsmaschine vor. Diese ermöglichte einen vollautomatischen Arbeitsablauf einschließlich Werkzeugwechsel. Bereits 1979 implementierte TRUMPF in einer kombinierten Laser-Stanzmaschine die Lasertechnik.
Wegen mangelnder Präzision und Zuverlässigkeit der importierten Strahlquellen begann TRUMPF 1985 eigene zu erzeugen und wurde so zum Laserhersteller. Die Kompetenz im Haus förderte die Entwicklung wettbewerbsfähiger Hochgeschwindigkeits-Laserschneider wie dem TruLaser 5030 und erlaubte TRUMPF zu diversifizieren. Neben Lasersystemen für das Schneiden, Schweißen und Oberflächenbehandeln von 3D-Teilen schuf die Gruppe Hochleistungslaser und Generatoren sowie Laser-basierte Lösungen für die additive Fertigung.
In erster Linie produziert TRUMPF Werkzeugmaschinen für die flexible Blech- und Rohrbearbeitung. Das Portfolio umfasst Biege-, Stanz- und kombinierte Stanz-Laser-maschinen sowie Laserschneidmaschinen und Laserschweißgeräte. Es wird ergänzt durch maßgeschneiderte Maschinen sowie Automations-, Netzwerk- und Softwarelösungen. Diese unterstützen Anwender vom Design bis zu Produktionssteuerung bei der Aufgabe, 2D-Rohlinge in fertige 3D-Produkte umzuwandeln. In seinen Smart Factories in Deutschland und den USA bietet TRUMPF Beratung und Training für die digital vernetzten Produktionslösungen für Industrie 4.0.
TRUMPF reinvestiert mehr als 10 Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Ein wachsender Teil davon fließt in die Softwareentwicklung. Von Funktionserweiterungen und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Steuerungs- und Visualisierungssoftware profitieren nicht nur die Käufer neuer Maschinen. Die halbjährlichen Software-Releases ermöglichen auch das Aktualisieren, Erweitern und Verbessern bestehender TRUMPF-Blechbearbeitungsmaschinen.
Obwohl TRUMPF-Maschinen durch einen einheitlichen Kern für jede Produktfamilie standardisiert sind, gibt es eine große Vielfalt mit zahlreichen Optionen. Beim Testen neuer Software vor der Auslieferung stellt das eine große Herausforderung dar. Zwar weist die Steuerungssoftware der Maschinen einige Selbsttest-Routinen auf, doch berücksichtigen diese das Zeitverhalten der komplexen mechatronischen Konstruktionen nicht. Früher mussten die finalen Tests an physikalischen Prototypen vorgenommen werden. TRUMPF hielt deshalb mehrere Konfigurationen von Maschinen aller Typen für Softwaretests und zur Fehlersuche vor.
„Bei Softwaretests alle Funktionen der echten Maschinen durchzugehen, war mühsam und zeitraubend,“ sagt Bernd Renz, Leiter der Abteilung Maschinendynamik bei TRUMPF. „Es war zudem gar nicht möglich, alle denkbaren Konfigurationen und Fehlerbilder durchzugehen.“
Die Experten der Maschinendynamik Abteilung beschlossen daher, statt der echten Maschinen deren digitale Zwillinge für die Tests zu nutzen, um diese Mängel zu überwinden. Laut Renz stellte sich das Finden der passenden Software für diese komplexe Aufgabenstellung als eigene Herausforderung heraus. Zahlreiche CAD Softwareprodukte bieten Möglichkeiten für die virtuelle Inbetriebnahme individueller Maschinen mittels Simulation an Hardware in-the-Loop (HiL). Verschiedene Computermodelle in der virtuellen Welt zu testen, macht jedoch eine Simulation mit Software in-the-Loop (SiL) erforderlich.
Die TRUMPF-Ingenieure informierten sich über mehrere Softwareprodukte. Mit drei davon erstellten sie Modelle der Laserschneidmaschine TruLaser 5030. Nach dem Benchmarking entschieden sie sich für eine Kombination von Produkten aus dem umfassenden, integrierten Software- und Dienstleistungsportfolio Siemens Xcelerator von Siemens Digital Industries Software. Diese wird häufig als Lösung für die virtuelle Inbetriebnahme genutzt und besteht aus der Software Mechatronics Concept Designer™, einem Teil des Softwareportfolios NX™ für CAD, CAE und CAM, und der Simulationsplattform SIMIT.
„Gemeinsam ermöglichten uns die beiden Simulationslösungen, die von uns so genannte virtuelle TRUMPF-Maschine zu schaffen,“ sagt Renz. „Unter Verwendung einer Modellbibliothek erzeugt diese komfortabel und halbautomatisch die digitalen Zwillinge all der verschiedenen Maschinen, die für jeden Testlauf benötigt werden.“
Mit dem Mechatronics Concept Designer erzeugten die TRUMPF-Ingenieure Kinematikmodelle aller Komponenten und Baugruppen, die in einer Konfiguration der TruLaser 5030 vorkommen können. Dazu importierten sie die 3D-Modelle aus der CAD-Software und reicherten die Volumenmodelle mit Informationen über kinematische Abhängigkeiten und physikalische Eigenschaften mit Einfluss auf Trägheits- oder Gravitationseffekte an.
„Mit anwenderfreundlicher Handhabung und mächtigen Importfunktionen hat es uns der Mechatronics Concept Designer leicht gemacht, das Fundament für den digitalen Zwilling als Prüfstand zu legen“, bestätigt Renz. „Mit seiner vollwertigen 3D-Modellierung ermöglicht er darüber hinaus schnelle Eingriffe wie die Vereinfachung des Modells zur Beschleunigung der Simulation.“
Die Simulationsplattform SIMIT ermöglich das einfache Verbinden der Simulation mit der Automatisierungsumgebung wahlweise mit HiL oder ohne Steuerung mit SiL.
Die Plattform erleichtert das Erstellen vollständiger Funktionsmodelle mit mehreren Bibliotheken branchenspezifischer und Simulations-Komponenten. Die TRUMPF Ingenieure bauten mittels SIMIT-Vorlagen eine Modellbibliothek mit sämtlichen Komponenten der TruLaser 5030 und deren Zeitverhalten auf.
Die TRUMPF-Experten entwickelten eine Konfigurationssoftware, die mithilfe der SIMIT-Modellbibliothek halbautomatisch eine Anzahl individueller Maschinen für automatisierte Tests konfiguriert. Dieser Konfigurator für den digitalen Zwilling parametriert auch die Shared-Memory Schnittstelle zum Simulationskonnektor. Diese ebenfalls im Haus entwickelte Software verbindet und synchronisiert das Funktionsmodell aus SIMIT mit dem virtuellen NC-Kern (VNCK) und koordiniert alle involvierten Softwaretools.
Die Kombination von SIMIT und dem Mechatronics Concept Designer sowie der hausintern entwickelten Softwaretools ermöglicht die Verwendung unterschiedlicher Versionen von Teilen und Baugruppen. So lässt sich ein vollständiger digitaler Zwilling aller möglichen Konfigurationen der sogenannten virtuellen TRUMPF-Maschine (vTM) erzeugen. Dieser wird mit der Zeit um sämtliche zu dieser Maschine passenden automatischen Handhabungsgeräte erweitert. „Die Modelle im digitalen Zwilling der Serienmaschine sind zu 80 Prozent aus SIMIT und nur zu 20 Prozent aus dem Mechatronics Concept Designer“, sagt Maschinendynamik-Ingenieur Kevin Diebels, der die Erstellung der Gesamtlösung leitete. „Ist die Maschine in automatisiertes Handling eingebettet, kehrt sich dieses Verhältnis um.“
Die Investition in die Softwarelösung, die automatisch einen vollständigen digitalen Zwilling aller erforderlichen Maschinenkonfigurationen erzeugt, macht sich mehrfach bezahlt. „Der digitale Aufbau einer neuen Maschinenkonfiguration für das Testen ist in wesentlich kürzerer Zeit und zu deutlich geringeren Kosten zu schaffen als der eines physikalischen Prototypen. „Nachdem die Modellbibliothek alle Komponenten einer bestimmten Maschine enthielt, konnten wir eine ähnliche Maschine in zwei Tagen modellieren“, bestätigt Diebels.
Noch spektakulärer war die Reduktion des Zeitbedarfs für die Tests: „Softwaretests vor Releases dauerten bisher vier Wochen. Nun können wir sie über Nacht erledigen“, ergänzt Renz. „Dabei deckt der automatisierte Testablauf mit dem in Mechatronics Concept Designer und SIMIT geschaffenen digitalen Zwilling mehr Konfigurationsoptionen ab.“
„Die mit der virtuellen TRUMPF-Maschine als Prüfstand über Nacht durchgeführten Softwaretests ermöglichen uns, Innovationen schneller auf den Markt zu bringen und dabei eine fehlerfreie Software zu gewährleisten“, schließt Renz. „Wir erwarten die Amortisation innerhalb eines Jahres.“