Die EDAG Group nutzt Simcenter Madymo zur Verkürzung der Markteinführungszeit für neue Fußgängerschutzsysteme
Die EDAG Group bedient die Automobilindustrie mit Leistungen während des gesamten Entwicklungsprozesses, von der Strategieentwicklung über die Konzeptphase und den Serienanlauf bis hin zur Produktionsplanung und -optimierung.
Die EDAG Group bietet Unternehmen auf der ganzen Welt Lösungen in den Bereichen Automobil, Mobilität und Industrie an. Ein Schlüsselelement jedes Fahrzeugs ist die Sicherheit der Insassen und anderer Straßenverkehrsteilnehmer, darunter Fußgänger. Die EDAG Group verfügt über ein Expertenteam – CAE und Safety –, das Kunden dabei unterstützt, die höchsten Sicherheitsniveaus für ihre Fahrzeuge zu erreichen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und hohe Kundenbewertungen für eine bestimmte Region oder ein bestimmtes Unternehmen zu erzielen.
Fast 20 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle in der Europäischen Union (EU) betreffen Fußgänger. Kopfverletzungen sind dabei häufig die Todesursache. Um dem entgegenzuwirken, sind die Automobilhersteller gesetzlich verpflichtet, nachzuweisen, dass sie alles tun, um das Risiko schwerer Verletzungen von Fußgängern zu minimieren. In vielen Fahrzeugen neuerer Bauart befindet sich ein schmaler Zwischenraum zwischen der Unterseite der Motorhaube und den starren Teilen des Motorraums. Das optimiert das Fahrzeug, stellt aber für Fußgänger eine zusätzliche Gefahr dar. Wenn ein Fahrzeug einen Fußgänger anfährt und dieser mit dem Kopf auf die Motorhaube aufprallt, ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Kopfverletzung sehr viel größer, da er auf die starren Bauteile darunter trifft.
Das Anheben der Motorhaube und die Vergrößerung des Abstands zwischen der Innenfläche und den starren Bauteilen kann das Kopfverletzungskriterium (Head Injury Criterion, HIC) deutlich reduzieren. Die Konstrukteure wollen jedoch nicht, dass Motorhauben dauerhaft angehoben sind, da dies die Aerodynamik und Ästhetik ihrer Konstruktionen beeinträchtigt. Eine Alternative wären sogenannte aktive Motorhauben: Bei einem Zusammenstoß mit einem Fußgänger klappt die Motorhaube automatisch nach oben. Die Entwicklung einer aktiven Motorhaube ist jedoch ein komplexer Prozess: Es werden Sensoren benötigt, um den Kontakt mit dem Fußgänger zu erkennen und die richtigen Signale zu senden, sodass die Motorhaube hochklappt, bevor der Fußgänger mit dem Kopf aufprallt.
Stefan Hundertmark, Project Manager bei der EDAG Group, stellt diesbezüglich fest: „Simcenter Madymo rettet Menschenleben.“ Vom ersten Kontakt mit dem Fußgänger bis zum Aufprall des Kopfes auf die Motorhaube vergehen etwa 40 oder 50 Millisekunden. Innerhalb dieser Zeit muss der Sensor das Signal an eine CPU senden, die feststellt, ob es sich um einen Fußgänger handelt, und dann ein weiteres Signal an die Scharniere, die die aufklappbare Motorhaube aktivieren.
„Wenn es um Millisekunden geht, sind die Reaktionszeiten entscheidend. Um dies zu erreichen, kombinieren die Lösungen von Simcenter die Leistungsfähigkeit der Mehrkörpermodellierung mit der Detailgenauigkeit der Finite Elemente- und CFD-Modellierung in einem einzigen Solver.“
Um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und die höchsten Kundenbewertungen zu erhalten, müssen die Hersteller zeigen, dass die Motorhaube vollständig hochgeklappt ist, bevor der Kopf auf sie aufschlägt, sodass genügend Verformungsraum entsteht, um sie vor dem darunter liegenden Motor zu schützen. Um dies zu beweisen, brauchen Sie eine Simulation, die das Verhalten eines menschlichen Körpers bei einem Zusammenstoß mit einem Fahrzeug genau vorhersagt. Physische Crashtest-Dummys sind nicht geeignet, da sie viele Prototypen in teuren Crashtests benötigen, um die Aktivierungszeit abzustimmen. Mit Fußgängersimulationsmodellen hingegen können viele virtuelle Schnelltests früher im Konstruktionszyklus durchgeführt werden. Dies ermöglicht eine schnellere Markteinführungszeit zu einem Bruchteil der Kosten.
Bisher hatte die EDAG Group die Kinematik des gesamten menschlichen Körpers modelliert. „Die alte Software funktionierte, aber die Simulationen dauerten sehr lange, da die Modelle so komplex waren“, berichtet Hundertmark. Die EDAG Group benötigte eine leistungsstarke Lösung, die nur die Teile des Körpers simuliert, die für sie von Interesse sind – das kinematische Verhalten. Dies ermöglicht die Entwicklung einfacherer Modelle und viel schnellere Bearbeitungszeiten.
Die EDAG Group verwendet die Simcenter™ Madymo™-Software für menschliche Körpermodelle. Diese Software ist Teil des Siemens Xcelerator-Portfolios, dem umfassenden und integrierten Software-, Hardware- und Service-Portfolio.
Diese Modelle erfüllen die im Protokoll des European New Car Assessment Program (Euro NCAP) festgelegten Validierungsanforderungen und prognostizieren das Verletzungsrisiko bei einem Aufprall. Dabei handelt es sich um ein Programm zur Bewertung des Leistungsvermögens, das die Hersteller einhalten müssen, um die Sicherheit ihrer Fahrzeuge nachzuweisen. Euro NCAP hat die strengsten Anforderungen aller vergleichbaren Programme weltweit und legt strikte Spezifikationen für virtuelle Dummys fest, die in Simulationen verwendet werden. Die Ingenieure der EDAG Group und von Siemens Digital Industries Software haben mit Simcenter Madymo eng zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die Protokolle eingehalten und die Simulationsergebnisse von Euro NCAP akzeptiert werden.
Simcenter Madymo ist eine führende Software für Insassen- und Fußgängersimulationen, die Unternehmen dabei hilft, Prototypentests mit genauen, effizienten und vielseitigen Simulationslösungen zu begrenzen. Sie integriert die Technologien der Mehrkörperdynamik, der Finite-Elemente-Methode (FEM) und der numerischen Strömungsmechanik (CFD) in einem einzigen Solver und enthält eine umfangreiche Datenbank mit menschlichen Körpermodellen (HBMs). Die Simcenter Madymo-Lösung umfasst ein aktives HBM, aber was noch wichtiger ist, sie umfasst auch eine ganze Familie von HBMs (einen Mann von großer Statur, einen durchschnittlich gewachsenen Mann, eine kleinere Frau und ein 6-jähriges Kind), die speziell für die Fußgängersimulation konstruiert sind und alle Spezifikationen des Euro NCAP Technical Bulletin (TB024) erfüllen. Das macht es für die EDAG Group viel einfacher, die Zertifizierung zu erreichen.
Hundertmark verrät, wie der Einsatz dieser Lösung die Entwicklungszeit erheblich verkürzt hat: „Mit Simcenter Madymo können wir nur die Kinematik modellieren. Das ist alles, was wir brauchen, um zu bestätigen, dass ein Fußgänger angefahren wurde, und um das Signal zur rechtzeitigen Aktivierung der Motorhaube zu senden. Mit Simcenter Madymo kann eine Analyse viel schneller durchgeführt werden als mit den Fußgänger-HBMs nach der Finite-Elemente-Modellierung. Die Ergebnisse sind innerhalb weniger Stunden und nicht erst nach Tagen verfügbar.“
Durch die drastische Reduzierung der Simulationszeit hat die EDAG Group nicht nur Entwicklungszeit und -kosten gespart, sondern auch ihren Kunden ermöglicht, neue Produkte viel schneller auf den Markt zu bringen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Mit dem vollen Vertrauen in die Genauigkeit der Simulationen können Kunden sicherstellen, dass alle Fahrzeuge über Konstruktionen aktiver Motorhauben verfügen, die den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen.
Hundertmark weist auch auf die Benutzerfreundlichkeit der Software hin: „Die Positionen des Dummys und die verschiedenen Winkel, die Sie erreichen müssen, sind sehr streng. Mit Simcenter Madymo ist es viel einfacher, den Dummy nach Bedarf zu handhaben und anzupassen. Die Geschwindigkeit der Simulationen erlaubt es uns auch, mehr Iterationen schneller zu bearbeiten, sodass wir die optimale Konstruktion viel früher erreichen. Letztlich hilft dies unseren Kunden, ein besseres Produkt zu niedrigeren Kosten herzustellen. Das ist das Wichtigste für sie.“
Obwohl die EDAG Group für diesen Aspekt der Fußgängersicherheit erfolgreich Simulationen eingesetzt hat, verwenden viele Hersteller für die meisten anderen Sicherheitstests immer noch physische Dummys. Hundertmark geht davon aus, dass sich dies in Zukunft ändern wird: „Sicherheitsbehörden wie Euro NCAP stellen fest, dass das Leistungsverhalten dieser virtuellen Modelle lebensechter ist als bei physischen Dummys. Wir werden sehen, dass mehr Testprojekte von physischen auf virtuelle Simulationen umgestellt werden, da diese genauere Ergebnisse liefern.“
Siemens-Ingenieure arbeiten bereits an Vorschlägen und einer gemeinsamen Roadmap der Branche, um mehr HBMs in virtuellen Simulationen einzusetzen und die Zahl der Zertifizierungen zu vergrößern. Diese Pläne sind Euro NCAP und anderen zuständigen Behörden vorgelegt worden. In den kommenden Jahren wird die Branche dazu übergehen, Tests mit Simulationen von HBMs anstelle von physischen Modellen durchzuführen. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis sie eingeführt werden und die Sicherheitsprüfung die nächste Stufe erreicht.
Das ultimative Ziel sieht Hundertmark in einer globalen Bewegung namens Vision Zero. Diese Initiative zielt darauf ab, verkehrsbedingte Todesfälle und schwere Verletzungen durch einen systemischen Ansatz für die Verkehrssicherheit zu beenden. Wenn vollautonome Fahrzeuge auf den Markt kommen, werden die Unfälle sicherlich zurückgehen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sie noch viele Jahre neben von Menschen gesteuerten Autos auf der Straße unterwegs sein werden, sodass die Idee vermeidbarer Unfälle noch in weiter Ferne liegt. Das Risiko von Zusammenstößen mit Fußgängern wird jedenfalls weiterhin bestehen.
Mit dem Wandel der Fahrzeuge verändert sich auch der Fußgänger- und Insassenschutz. Durch den Einsatz von Simulationen mit präzisen Ganzkörpermodellen kann Siemens die Hersteller dabei unterstützen, ihre Fahrzeuge so sicher wie möglich zu machen. Autonome Fahrzeuge könnten eines Tages alle Unfälle verhindern, aber bis dahin müssen wir alles tun, um schwere Verletzungen und Todesfälle zu minimieren.