Anwenderbericht

Einsparung von geschätzten 62.000 € pro Jahr und 143 Tonnen CO2 durch einfach umzusetzende Anpassungen ohne Investitionen in Anlagen

Das AIP verwendet Plant Simulation, um die Ablaufplanung von Kränen sowie die Lagerkonfiguration zu optimieren und den Energieverbrauch um 7,4 Prozent zu senken

Das AIP verwendet Plant Simulation, um die Ablaufplanung von Kränen sowie die Lagerkonfiguration zu optimieren und den Energieverbrauch um 7,4 Prozent zu senken

Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion

Unser Leitbild ist die Verknüpfung wissenschaftlicher Forschung mit der industriellen Praxis. Daher arbeitet unser interdisziplinäres Team an anspruchsvollen Themen des Produktions- und Operationsmanagements, des Logistik- und Supply Chain Managements sowie des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit ­­– praxisnah und oftmals direkt vor Ort bei unseren Praxispartnern.

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Hauptsitz:
Braunschweig, Germany
Produkte:
Plant Simulation, Tecnomatix
Industriezweig:
Schwermaschinen

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Mit Plant Simulation waren wir in der Lage, die Auswirkungen verschiedener Lagerkonfigurationen und des damit verbundenen Kranbetriebs zu bewerten
Patrick Oetjegerdes, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, AIP

Steigerung der Energieeffizienz in Stahlcoillagern

In dem vorliegenden Projekt befasste sich das Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion mit der Optimierung der internen Produktionslogistik. Patrick Oetjegerdes, Master of Science (M. Sc.) konnte unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas S. Spengler zeigen, dass sich durch eine energieorientierte Betrachtung der Kranablaufplanung und Lagerkonfiguration überraschend große Energieeinsparungen realisieren lassen. Um dies zu modellieren, nutzte das AIP die Software Plant Simulation von Siemens Digital Industry Software im Tecnomatix®-Portfolio, das Teil der Siemens Xcelerator Business Plattform aus Software, Hardware und Services ist.

Untersuchung der Lagerung von Stahlcoils und des Einsatzes von Kranen

Stahlcoils sind das Vorprodukt für viele Industrieprodukte, unter anderem in der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und anderen Branchen. Die Studie untersuchte die Logistikprozesse eines Stahlcoilherstellers, konkret die Ein-, Aus- und Umlagerung von Stahlcoils zwischen dem Warmwalzen und dem Versand zum Kunden. Diese Lagervorgänge werden durch Portal- und Brückenkrane durchgeführt und gehen mit einem erheblichen Energieaufwand einher. Durch das hohe Gewicht der Stahlcoils benötigen die Elektromotoren der Krane hohe Energiemengen, die sich im gesamten Produktionssystem auf mehrere Tausende Kilowattstunden (kWh) und damit einhergehenden CO2-Emissionen summieren. Dies erscheint entsprechend als ein möglicher Bereich, um die Produktionslogistik durch smarte Planung nachhaltiger zu gestalten.

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Beschreibung der Lagerung und des Energieverbrauchs

Für einen Hersteller in der Stahlindustrie untersuchte das AIP unterschiedliche Stahlcoillager, in denen bis zu 2.000 Stahlcoils auf einer Fläche von 400 mal 60 Meter lagern. In diesen Lagern werden bis zu drei Kräne gleichzeitig eingesetzt. Diese Krane bestehen aus drei Elementen: das Portal bzw. die Brücke, die Laufkatze und der Haken. Jedes dieser Elemente bewegt sich entlang einer Bewegungsachse und ist jeweils charakterisiert durch eine andere Geschwindigkeit und einen anderen Energieverbrauch. So ist beispielsweise das Bewegen des gesamten Portals energieintensiver als das Bewegen der Laufkatze. Zusätzlich beeinflusst das Gewicht des transportierten Stahlcoils den Energieverbrauch.

Der Hersteller fertigt auf Bestellung Stahlcoils nach Kundenspezifikation, die in verschiedenen Legierungen, Größen und Oberflächeneigenschaften erhältlich sind und in einem Dreiecksmuster gestapelt werden. Durch diese Dreieckslagerung kann es notwendig sein, dass mehrere der bis zu 32 Tonnen schweren Stahlcoils zunächst umgelagert werden müssen, was den Energieverbrauch zusätzlich erhöht.

Optimierung der Lagerkonfiguration

Das Team des AIP verwendete Plant Simulation, um zu verstehen, wie sich die Lagerstruktur, der Kraneinsatz und die Lagerplatzzuweisung auf den Energieverbrauch auswirken und wie dieser bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden kann.

“Zunächst haben wir eine empirische Erhebung des Energieverbrauchs durchgeführt und für jede Bewegung eine Energieverbrauchsfunktion definiert, die vom Gewicht des Stahlcoils abhängt”, sagt Oetjegerdes. “Es gibt eine Funktion für das Portal, die Laufkatze und für Auf- und Abwärtsbewegungen. Diese Funktionen haben wir dann in bestehende Simulationsmodelle in Plant Simulation integriert, die verschiedene Produktions- und Lagerbereiche umfassen. Im Rahmen von Plant Simulation haben wir die Bibliothek Cranes and more und die moveTo-Funktion verwendet, die es uns ermöglicht, eine benutzerdefinierte Funktion zu integrieren, die den Energieverbrauch für jede Bewegung berechnet und protokolliert. Dadurch, dass bestehende Simulationsmodelle genutzt werden konnten, war die Implementierung der Funktionen umkompliziert.”

Visualisierung des Energieverbrauchs

Ein ungeahnter Vorteil war, dass es erstmalig möglich war, den Stromverbrauch einzelner Krane zu visualisieren. Zuvor war es nur möglich diesen auf Produktionssystemebene zu erfassen.

Durch dieses Vorgehen war es möglich unterschiedliche Szenarien und ihren Einfluss auf den Energieverbrauch zu untersuchen. Zunächst wurde die Lagerkonfiguration in einem Lager mit durchschnittlich 600-1.400 Stahlcoils untersucht. Darüber hinaus hat das AIP die Lagerplatzzuweisung auf einen energieorientierten Ansatz umgestellt, bei dem die Menge an elektrischem Strom berücksichtigt wird, die aus der Zuweisung von einem Stahlcoil zu einem spezifischen Lagerplatz resultiert.

Untersuchen von Lagerkonfigurationen

In der energieorientierten Lagerkonfiguration verglich das AIP zwei Arten der Coil Stapelung. Eine war eine 2,5-stöckige Stapelung (Lagerkapazität von 2.002 Coils), bei der zwischen jedem Coil auf der dritten Stapelebene ein leerer Platz gelassen wurde, und eine 2-stöckige Stapelung mit nur zwei Lagen gestapelter Coils (Lagerkapazität von 1.642 Coils). Die Hypothese war, dass sich die Strecke, die der Kran bei jeder Lagerung zurücklegen muss, durch mehr verfügbare Lagerplätze reduziert. Dem steht die Hypothese gegenüber, dass durch weniger Stapelebenen weniger Umlagerungen erfolgen müssen. Ziel war es, herauszufinden, welche Lagerkonfiguration weniger Energie verbraucht und gleichzeitig das Servicelevel aufrechterhält.

“Bei der 2,5-stufigen Variante muss der Hersteller im schlimmsten Fall bis zu vier Coils umlagern”, sagt Oetjegerdes. “Alternativ müssen bei der 2-stufigen Variante nur zwei Coils umgelagert werden, um das Coil in der Mitte zu erreichen. Diese Hypothesen konnten durch die Analyse mit Hilfe der Simulation bestätigt werden. Der Kran legte in der Konfiguration mit 2,5 Ebenen weniger Strecke zurück, musste jedoch häufiger Coils umlagern. Das Ergebnis war ein um 7,4 Prozent geringerer Energieverbrauch in der 2-stufigen Variante, was darauf hindeutet, dass in Bezug auf den Energieverbrauch die Anzahl der Umlagerungen wichtiger ist als die Strecke, die der Kran zurücklegt. Das bedeutet, dass eine optimierte Lagerkonfiguration jährlich fast 25.000 Euro einspart und den jährlichen CO₂-Ausstoß um 59 Tonnen reduziert. Mit Plant Simulation waren wir letztendlich in der Lage, die Auswirkungen verschiedener Lagerkonfigurationen zu bewerten.”

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Verwenden einer energieorientierten Lagerplatzzuweisung

Das AIP untersuchte auch den Einsatz von Plant Simulation für die energieorientierte Lagerplatzuweisung, indem es Optionen für die Platzierung der Coils untersuchte. Im Lager gibt es einzulagernde, auszulagernde und blockierende Coils, die umgelagert werden müssen, um bestimmte auszulagernde Coils zu erreichen. Für diese unterschiedlichen Arbeitsvorgänge muss vom Kranführer eine Reihenfolge geplant werden und für einzulagernde und umzulagernde Coils ein passender Lagerplatz zugewiesen werden. Diese Entscheidungen sind voneinander abhängig und beeinflussen die Effizienz des Kranbetriebs erheblich.

Um zu entscheiden, welcher Platz den einzulagernden und blockierenden Coils zugewiesen werden sollte, bewertete das AIP mit Hilfe der Anlagensimulation jeden möglichen Lagerplatz anhand verschiedener Parameter (Nähe, Lagerbestand, Abmessungen usw.), wies jedem Parameter eine Punktzahl zu und wählte den Lagerplatz mit der höchsten Punktzahl aus. In einer zweiten, energieorientierten Variante änderte das AIP die Bewertung, um auch eine Punktzahl für den Energieverbrauch hinzuzufügen. So konnten sie den Status Quo mit der neuen, energieorientierten Platzvergabe vergleichen.

“Wir haben uns gefragt, wie viel Energie wir mit diesem neuen Konzept einsparen können und wie sich das auf den Kranbetrieb auswirkt”, sagt Oetjegerdes. “Es stellte sich heraus, dass durch die energieorientierte Platzzuweisung jährlich fast 37.000 Euro und 84 Tonnen CO₂ eingespart und die Kranauslastung nur um 0,4 Prozent angestiegen ist. Wir erklärten dies mit der Beobachtung, dass der energieorientierte Ansatz häufig eine langsamere Fahrt der Laufkatze für den Transport verwendet, die weniger Energie verbraucht als die schnellere Portalbewegung. Durch den Einsatz von Plant Simulation konnten wir eine Entscheidungsunterstützung bieten, nicht nur für die taktische Lagerkonfiguration, sondern auch für die Lagerplatzzuweisung während der operativen Kranablaufplanung.”

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Planung für die Zukunft

Insgesamt lieferte der Einsatz der Analyse der Anlagensimulation wertvolle Erkenntnisse. “Mit Hilfe der Simulation konnten wir zeigen, wie sich die Energieorientierung in ein Simulationsmodell integrieren lässt”, sagt Oetjegerdes. “Darüber hinaus haben wir den praktischen Nutzen als Entscheidungshilfe für verschiedene Planungsprobleme in der Stahlindustrie aufgezeigt. Gemeinsam mit unserem Partner aus der Industrie können wir Entscheidungen unterstützen, was zu erheblichen Einsparungen beim Energieverbrauch im Lagerbetrieb in Stahlcoillagern führte.”

“Dank der Nutzung einer Simulation haben wir durch einfach umsetzbare Anpassungen ohne Veränderung der bestehenden Anlagen geschätzte Energiekosteneinsparungen von rund 62.000 Euro pro Jahr und 143 Tonnen CO₂ erzielt. Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, weshalb wir einen erweiterten energieorientierten Ansatz zur gleichzeitigen Planung der Lagerkonfiguration, Auftragsreihenfolge und Lagerplatzzuweisung als vielversprechend für die zukünftige Forschung ansehen. Es ist auch vielversprechend, die Übertragung des energiebasierten Ansatzes auf verschiedene andere Industrien zu untersuchen, wie z. B. Containerterminals und jede andere Branche, in der Brückenkräne eingesetzt werden. Der Einsatz von Plant Simulation hat wertvolle Erkenntnisse geliefert und uns geholfen, durch eine verbesserte Planung nachhaltiger zu produzieren.”

Der Einsatz von Plant Simulation hat wertvolle Erkenntnisse geliefert und geholfen, durch eine verbesserte Planung nachhaltiger zu produzieren
Patrick Oetjegerdes , Wissenschaftlicher Mitarbeiter, AIP